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26.03.2024

LG Klagenfurt: VSV zu Verbandsklage berechtigt

Der VSV hat die StW Klagenfurt wegen einer Gebrauchsabgabe, die Stromkunden weiter verrechnet wird, mit Verbandsklage geklagt und zur Frage der Verbandsklagelegitimation Recht bekommen.
Hier die Passagen des Urteils des LG Klagenfurt. Die Klage wurde jedoch in der Sache abgewiesen (wir gehen in Berufung).

RECHTLICHE BEURTEILUNG:

Die EU-Richtlinie 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher hat die Sicherstellung eines Verbandsklageverfahrens zum Ziel. Insbesondere Verbraucher-organisationen sollen als qualifizierte Einrichtungen innerstaatliche und grenzüberschreitende Verbandsklagen erheben können.

Die VerbandsklagenRL hätte bis zum 25. Dezember 2022 umgesetzt werden müssen, dies ist bis dato nicht geschehen, demzufolge die Republik Österreich mit der Umsetzung säumig ist.

Für die unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinie bedarf es gemäß ständiger Rechtsprechung des EuGH neben der fehlenden Umsetzung auch die vertikale Wirkung einer inhaltlich unbedingten und hinreichend genauen Richtlinie. In Art 4 Abs 3 regelt die
VerbandsklagenRL, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit Verbraucherorganisationen als qualifizierte Einrichtung eine grenzüberschreitende Verbandsklage erheben können. In Art 4
Abs 5 wird den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eingeräumt dieselben Kriterien für innerstaatliche Verbandsklagen festzusetzen. Insgesamt soll so das wirksame Funktionieren von Verbandsklagen sichergestellt werden.

Durch die detaillierte und genaue Aufzählung der Kriterien ist die VerbandsklagenRL hinsichtlich der qualifizierten Einrichtungen inhaltlich unbedingt und hinreichend klar. Nach EuGH-Rechtsprechung schließt die Tatsache, dass der Staat zwischen mehreren möglichen Mitteln zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Ziels wählen kann, nicht aus, dass der Einzelne vor den nationalen Gerichten die Rechte geltend machen kann, deren Inhalt sich bereits aufgrund der Richtlinie mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt (EuGH C-6/90 und EuGH C-9/90 Rz 17). Infolgedessen schadet die in Art 4 Abs 5 eingeräumte
Möglichkeit nicht der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie. Die Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, damit eine qualifizierte Einrichtung zur Erhebung einer grenzüberschreitenden Verbandsklage berechtigt ist bilden vielmehr die äußerste Grenze des Gestaltungsspielraums hinsichtlich der Kriterien für eine innerstaatliche Verbandsklage. Dies ist auch aus den Erwägungsgründen 26 und 27 der VerbandsklagenRL ersichtlich.
Insbesondere ErwG 27 weist darauf hin, dass die Kriterien für qualifizierte Einrichtungen für innerstaatliche oder grenzüberschreitende Verbandsklagen das wirksame Funktionieren von Verbandsklagen nicht beeinträchtigen sollen, wodurch der bereits thematisierte begrenzte Gestaltungsspielraum vorliegt.

Aus dem Satzungszweck der klagenden Partei ergibt sich ein legitimes Interesse am Schutz der Verbraucherinteressen. Eine Einschränkung auf bestimmte Rechtsvorschriften ist dem
Satzungszweck nicht zu entnehmen, die in Anhang I der VerbandsklagenRL bestimmten Rechtsvorschriften der Union sind somit jedenfalls mitumfaßt. Weiters macht die klagende
Partei – öffentlich zugänglich – Angaben über die Einhaltung der Kriterien gemäß Art 4 Abs 3 lit a bis e VerbandsklagenRL sowie weitere Angaben beispielsweise zu den Quellen ihrer
Finanzierung, wodurch Art 4 Abs 3 lit f VerbandsklagenRL erfüllt ist.

Zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher sollen gemäß Art 7 Abs 4 der VerbandsklagenRL qualifizierte Einrichtungen zumindest Unterlassungs- und Abhilfeklagen geltend machen können. Der Art 8 der Richtlinie über die Unterlassungs-entscheidungen stellt sich hierbei als inhaltlich unbedingt und klar dar. Bei Erhebung der Verbandsklage müssen gemäß Art 7 Abs 2 hinreichende Angaben zu den betroffenen Verbrauchern getätigt werden.

Fallkonkret wird durch die klagende Partei als eine qualifizierte Einrichtung die Unterlassung der Einhebung der Benützungsabgabe begehrt, wodurch die kollektiven Interessen der Verbraucher, die im Stadtgebiet der Landeshauptstadt Klagenfurt mit Strom versorgt werden, geltend gemacht werden.

Gemäß Art 2 Abs 1 VerbandsklagenRL bedarf es eines Verstoßes durch Unternehmer gegen die in Anhang I enthaltenen Vorschriften des Unionsrechts, einschließlich ihrer Umsetzung in nationales Recht, welche die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigen. In Ziffer 24 des Anhang I findet sich die Richtlinie 2009/72/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitäts-binnenmarkt. Das ElWOG stellt die nationale Umsetzung dieser Richtlinie dar. Art 2 Abs 1 ist erfüllt, da die klagende Partei sich in ihrem Vorbringen darauf stützt, dass die beklagte Partei als Unternehmen durch die Einhebung der Benützungsabgabe gegen das ElWOG verstößt, wodurch die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt werden.

In dem sich der Einzelne nur gegenüber dem säumigen Mitgliedstaat und Einrichtungen bzw Organisationen, die dem Staat bzw dessen Aufsicht unterstehen, auf die unmittelbare
Wirksamkeit einer Richtlinie beziehen kann, soll verhindert werden, dass der Mitgliedstaat aus der Nichtbeachtung des Gemeinschafts-rechts einen Nutzen ziehen könnte. Unbedeutend für
die vertikale Wirkung der Richtlinie ist, in welcher Eigenschaf der Staat im jeweiligen Fall handelt (EuGH C-188/89 Rz 17).

Im konkreten Fall wäre bei Umsetzung der Richtlinie die klagende Partei, aufgrund der Erfüllung aller notwendigen Kriterien für die Erhebung grenzüberschreitender und innerstaatlicher Verbands-klagen, als qualifizierte Einrichtung durch die Republik Österreich
benannt worden. Dadurch hätte die klagende Partei im Zuge einer Verbandsklage eine Unterlassungsentscheidung begehren können. Aufgrund der fehlenden Umsetzung der VerbandsklagenRL und somit mangels Möglichkeit, seitens der Republik benannt zu werden,
muss sich die klagende Partei auf die unmittelbare Wirksamkeit der Richtlinie berufen. Die vertikale Wirkung der Richtlinie ergibt sich daher aus dem Recht der klagenden Partei auch ohne innerstaat-liche Umsetzung des staatlichen Gesetzgebers als qualifizierte Einrichtung eine Unterlassungsklage zu erheben.

Admin - 06:42 @ Verbraucherschutz, Sammelklage | Kommentar hinzufügen

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